Das RAS als Entscheider
Das Retikuläre Aktivierungssystem oder kurz RAS kann bestimmen, welche Entscheidungen wir in unserem Leben treffen.
In jedem Moment werden wir von unglaublich vielen Informationen überschüttet. Wenn alles in unser Bewusstsein vordringen würde, würde uns dies erschlagen. Deshalb gibt es ein System, das eine Vorauswahl trifft. Dieses Retikuläre Aktivierungssystem ist zu vergleichen mit der Chefsekretärin, die Informationen ganz gezielt vorsortiert und dann zu ihrem Chef weitergibt oder auch nicht. Das RAS übernimmt auf diese Weise eine wichtige Schutzfunktion.
Das RAS als unermüdlicher Filter
Das Retikuläre Aktivierungssystem, RAS, ist ein Nervengeflecht, ein neuronales Netzwerk, das die Funktion eines Filters hat. Es sitzt zwischen dem verlängerten Rückenmark (Medulla oblongata) und dem Thalamus im Stammhirn. Von dort gibt es Verbindungen zu verschiedenen Bereichen der Großhirnrinde und damit zum Bewusstsein. Der Thalamus wird in der Anatomie auch das „Tor zum Bewusstsein“ genannt. Alle Reize müssen beim retikulären Aktivierungssystem vorbei und werden entweder weitergeleitet oder aussortiert.
Ca. 2 Milliarden verschiedene Informationen prasseln in jeder Sekunde auf uns ein. Natürlich sind damit nicht nur verbale Informationen sondern ebenfalls Bilder, Farben, Klänge, Düfte und vieles mehr gemeint. Alles, was über einen der Kanäle unserer Sinnesorgane aufgenommen wird, kommt zunächst einmal im RAS an. Dort wird dann kräftig aussortiert, so dass am Ende maximal 2’000 Informationen weitergeleitet werden und in unserem Bewusstsein ankommen.
Auch das ist ja noch sehr viel. Doch wenn alle 2 Milliarden Informationsimpulse im Großhirn ankommen würden, wären wir hoffnungslos überfordert mit dieser Flut und könnten überhaupt nicht mehr angemessen reagieren.
Die Funktion des Retikulären Aktivierungssystems ist also sehr sinnvoll. Vor allem in Situationen, in denen es um das Überleben geht, sind wir auf die Selektion der wichtigsten Informationen angewiesen. Und das RAS schläft nie. In jeder Sekunde unseres Lebens, ob wir nun wach und aktiv sind oder ob wir schlafen, wählt unser Retikuläres Aktivierungssystem aus, was wir wahrnehmen und was nicht.
Ein Vorteil des RAS ist zudem die Geschwindigkeit, mit der es die Auswahl treffen kann. Unser bewusster Verstand würde viel, viel länger brauchen, um zu einem Ergebnis zu kommen.
Unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit
Dieser Mechanismus zeigt aber auch, dass wir immer nur einen ganz kleinen Teil der Wirklichkeit um uns herum wahrnehmen, nämlich den Teil, den unser Retikuläres Aktivierungssystem für wichtig erachtet. Das, was wir bewusst wahrnehmen, ist also der für uns persönlich ausgewählte Bereich der ganzen Wirklichkeit.
Wahrscheinlich wird es dir jetzt schon klar, dass die Wirklichkeit eines anderen Menschen völlig anders aussehen kann. Denn wenn aus den 2 Milliarden vorhandenen Informationsimpulsen andere 2’000 ausgewählt werden, kann ein völlig anderes Bild der Realität entstehen.
Unser Blick auf die Wirklichkeit ist also sehr individuell. Es ist unsere eigene subjektive Wirklichkeit. Geprägt wird sie von unserem Unterbewusstsein, das aufgrund von gespeicherten Mustern und Erfahrungen die für uns wichtigen Informationen an unser Bewusstsein schickt. Auf dieser Grundlage trifft dieses dann die Entscheidungen, die den Verlauf unseres Lebens bestimmen.
Entscheidungsfindung
Oft haben wir das Gefühl, dass wir unser Leben fest im Griff haben und die Entscheidungen rational, also mit unserem Verstand treffen. Wenn wir nun aber die Arbeitsweise des RAS kennen, wird es klar, dass die eigentlichen Entscheidungen nicht im bewussten Teil unseres Gehirns fallen. Den Ausschlag geben die Muster, Erfahrungen, Glaubenssätze usw., die für die Auswahl der an die Großhirnrinde weitergeleiteten Informationen verantwortlich sind.
Vorstellen kannst du dir das in etwa so. Eine Information kommt im RAS an. Wie eine Suchmaschine sucht es nun nach vergleichbaren Informationen in seinem Erinnerungsspeicher. Wenn eine Information zu bereits vorhandenen Informationen passt und diese bestätigt oder ergänzt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie als für dich wichtig und relevant eingestuft wird.
So entsteht z.B. eine pessimistische Grundhaltung. Ist dieses Muster einmal abgespeichert, wird jede Information, die dazu passt weitergeleitet. In deiner Wahrnehmung erscheinen daher überwiegend Probleme und prägen deine Wirklichkeit. Die vielen positiven Informationen, die auch um dich herum vorhanden sind, werden einfach nicht in dein Bewusstsein weitergeleitet und gelöscht.
Die sogenannte „sich selbsterfüllende Prophezeiung“ erklärt sich ebenfalls aus der Funktion des Retikulären Aktivierungssystems. Du musst nur fest genug an etwas glauben, dann sucht dein RAS intensiv nach den Informationen, die dies bestätigen. Die Beweise für das Gegenteil hat es dagegen nicht im Fokus.
Wichtige Informationen für das RAS
Aber welche Arten von Informationen werden im allgemeinen durchgelassen ins Bewusstsein und welche herausgefiltert? Da diese Entscheidung sehr wesentlich ist und unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit sehr stark bestimmt, wollen wir uns noch etwas genauer ansehen, nach welchen Kriterien Informationen durch das RAS ausgewählt werden.
Drei Strategien sind entscheidend für die Auswahl:
- Informationen, die als lebenswichtig eingestuft werden, haben Priorität.
- Neue Informationen sind für das RAS interessant.
- Häufige Wiederholungen werden als Tatsachen angesehen.
Mit diesem Wissen haben wir die Möglichkeit, einen gewissen Einfluss auf die Informationen zu nehmen, die letztendlich unsere Realität gestalten. Wenn wir die Wirkungsweise unseres RAS verstehen, können wir seine Funktionsweise nutzen, um unser Leben nachhaltig positiv zu verändern.
Unsere Einflussnahme auf das RAS
Dazu müssen wir Wege finden, mit unserem Unterbewusstsein zu kommunizieren. Wichtig ist es, unsere prägenden gespeicherten Muster und Glaubenssätze zu kennen. Wenn wir diesen auf den Grund gehen, haben wir den Schlüssel zur Veränderung in der Hand. Vor allem das Löschen von blockierenden Glaubenssätzen gibt uns die Freiheit, eine „neue Wirklichkeit“ für uns zu kreieren.
Es gibt verschiedene Techniken, wie wir das erreichen können. Die drei Strategien des RAS für die Informationsauswahl zeigen den Weg dazu.
Du kannst z.B. dein Ziel in bunten Farben und lebendigen Bildern visualisieren. Da unser Unterbewusstsein nicht unterscheiden kann, ob die empfangenen Bilder bereits real existieren oder „nur“ in unserer Vorstellung, können wir durch die intensive und vielseitige Art der Visualisierung eine hohe Wichtigkeit für unser Retikuläres Aktivierungssystem erzeugen. Das heißt, die Information, die wir uns mit unserer Vorstellung ausmalen, erhält aufgrund ihrer Intensität eine hohe Priorität durch das RAS.
Außerdem ist, wie wir wissen, Neues interessant. Und wenn wir darüber hinaus eine Visualisierung häufig wiederholen, ist auch die dritte Strategie des RAS bedient. Häufige Wiederholungen werden schließlich als Tatsachen angesehen.
Entscheidung für die Wunsch-Realität
Auf diese Weise ist es möglich, die eigene Realität zu verändern. Wenn erst einmal neue Erfahrungswerte abgespeichert sind, hält unser RAS ständig Ausschau nach Informationen in unserem Umfeld, die dazu passen.
Plötzlich werden Dinge sichtbar, die vorher scheinbar nicht da waren. In einem Jobchoaching habe ich erlebt, dass auf einmal zahlreiche perfekt passende Stellenausschreibungen zu finden waren. Kurz zuvor schien die Suche noch sehr anstrengend, weil wenig bis nichts wirklich richtig passte.
Es geht also darum, sich klar zu entscheiden und dem RAS neue Impulse zu geben. Das gibt dir letztendlich die Freiheit, über deine Wahrnehmung und deine Realität selber zu bestimmen.
Mit dem innerwise Tool „Golden Circle“ gelingt es sehr einfach, eine neue Realität aus den unzähligen Möglichkeiten zu kreieren. Wichtig ist dabei, eine klare Entscheidung für etwas zu treffen. Gleichzeitig müssen wir jedoch die Entscheidung gegen das Gegenteil treffen, an dem wir unbewusst noch hängen. Erst dann wird der Weg frei zu einer neuen Realität.
In einem weiteren Artikel werde ich den „Golden Circle“ vorstellen. Zunächst ist es aber sehr wichtig, die Arbeitsweise des RAS zu verstehen. Denn davon sind unsere Wahrnehmungen und Entscheidungen geprägt.
Danke für diesen tollen Beitrag