Authentizität – ganz sich selbst sein
Das Wort Authentizität kommt aus dem Lateinischen. Es bedeutet Echtheit im Sinne von Ursprünglichkeit. Zu unterscheiden ist also, ob etwas echt oder falsch ist. Damit verbunden sind die Begriffe Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit. Wenn jemand authentisch ist, halten wir ihn für glaubwürdig und zuverlässig.
Für mich bedeutet Authentizität im Zusammenhang mit Integrität, ganz sich selbst zu sein.
Es gibt viele Arten, nicht authentisch zu sein. Einige davon möchte ich etwas näher erläutern.
Lebensrollen, die wir spielen
Je nach unserem Umfeld nehmen wir meistens ganz unbewusst unterschiedliche Rollen ein. Im Berufsumfeld verhalten wir uns anders als in unserer Partnerschaft. Und bei einem Besuch bei unseren Eltern werden wir mitunter wieder zum Kind und fügen uns in eigentlich für uns nicht mehr aktuelle Strukturen ein.
Wir regieren auf das entsprechende Umfeld und zeigen entweder nur einen Teil von unserem Selbst oder spielen sogar eine ganz andere Rolle. Ziel ist es dabei oft, nicht aufzufallen, uns einzuordnen oder einen bestimmten Eindruck zu hinterlassen.
Lebensrollen können aber auch verschiedene Eigenschaften sein, die vermeintlich von anderen gewünscht sind.
- Als Kümmerer sind wir immer für alle da.
- Der Perfektionist erledigt alle Aufgaben besonders genau.
- Mit einem Talent zur Diplomatie werden wir zum gefragten Vermittler bei Differenzen.
- Sehr angepasst fallen wir am wenigsten auf.
- Als Unterhalter/in bieten wir gerne das Programm für alle anderen.
- Der Analytiker hat einen besonders genauen Blick, um Dinge auseinanderzunehmen.
- Beliebt ist oft auch der Ruhepol, der den Stress im Umfeld auffängt.
Dies sind nur Beispiele für unzählige Rollen, die jeder von uns ganz unbewusst lebt.
Wer sind wir aber wirklich?
Das Leben von der jeweiligen Situation angepassten Rollen hat nicht sehr viel mit unserer Authentizität zu tun. Denn wir verstecken diese ja gerade, um unserem Umfeld zu gefallen oder in der Masse nicht aufzufallen.
Sehr leicht geht dabei mit der Zeit das Bewusstsein für das eigene wirklich echte und authentische Selbst verloren.
Masken zum unsichtbar werden
Eine andere Strategie ist es, durch unser Leben mit einer aufgesetzten Maske zu gehen. Um anderen nicht zu zeigen, wie es uns wirklich geht, zeigt unser Gesicht vielleicht ein „Dauerlächeln“. Oder um zum Beispiel als kompetente Führungsperson zu wirken, verbieten wir uns jede Emotion und tragen eine ernste, oft etwas hart wirkende Maske, die Entscheidungsfähigkeit und Konsequenz im Handeln vermitteln soll.
In meinem Berufsleben habe ich Menschen getroffen, die in ihrer Arbeit sehr hart wirkten und aus meiner Sicht auch zum Teil eher unmenschliche Entscheidungen getroffen haben. Ich habe mir damals die Frage gestellt, ob diese Menschen wohl immer so sind bzw. ob es möglich ist, dass sie in ihrem Privatleben auch zum Beispiel ein liebevoller Ehemann und Vater sein können.
Bei einem Freund habe ich diesen Wechsel zwischen verschiedenen Masken einmal sehr krass erlebt. In „Arbeitskleidung“ wirkte er sehr ernst, unzugänglich und für mich gar nicht mehr er selber. Im Freundeskreis zeigte er sich locker und fröhlich. Aber auch das erschien mir oft sehr künstlich, um sein echtes Ich zu verstecken. Dann gab es ab und zu noch ein paar sehr wenige aber sehr berührende Momente, in denen nach meinem Gefühl sich ein kleines Fenster zu dem wirklich authentischen Menschen öffnete, der hinter diesen sonst gezeigten Masken steckt.
Wer bin ich wirklich?
Diese Frage stellt sich, je länger wir in unseren Rollen und mit Masken durch das Leben gehen. Oft wissen wir es selber nicht mehr. Wir haben einfach vergessen, wer wir sind, wie wir einmal von der Schöpfung gemeint waren und in dieses Leben gekommen sind.
Dieses authentische Ich ist von vielen künstlichen Schichten überdeckt, die im Laufe des Lebens immer dichter werden. Manchmal gibt es noch so etwas wie eine Ahnung, dass da noch etwas anderes ist. In den Turbulenzen des Lebens überhören wir diese jedoch meistens.
Meine Erlebnisse mit Authentizität
Als Teenager habe ich mich sehr eingefügt und immer versucht, mich so zu verhalten, wie ich glaubte, dass es erwartet wird. So kam ich ohne Probleme durchs Leben. Für meine Umwelt war ich ein sehr pflegeleichtes Kind und ein überangepasster Teenager. Mein Leben verlief sehr gesellschaftskonform. Da ich so gut funktionierte, brauchte ich nicht viel erzieherische Aufmerksamkeit. Die Phase der Selbstfindung habe ich damals komplett ausgelassen. Es gab keine Kämpfe und Reibereien mit den Eltern, kein Austesten der Grenzen. Ich tat einfach alles so, wie es von mir erwartet wurde.
Meine echte und authentische Persönlichkeit ist so praktisch nicht sichtbar geworden. Ich hatte zwar immer das Gefühl, dass ich jemand ganz anderes bin, als von außen sichtbar war. Aber ich konnte es nicht zeigen. Ich habe einfach eine Rolle gespielt, um nicht aufzufallen, keinen Ärger zu bekommen und ohne anzuecken durch das Leben zu kommen.
So habe ich meine Authentizität vor anderen versteckt.
Manchmal bin ich allerdings in den Wald „geflüchtet“, wenn mir dann doch einmal alles zu viel wurde. Bei diesen Ausflügen alleine habe ich mich ganz anders gefühlt als sonst, wenn ich nur auf mein Umfeld ausgerichtet funktioniert habe. Da schien so viel anderes in mir zu sein. Zu der Zeit konnte ich das allerdings noch nicht einordnen.
Erst viele Jahre später begann ich mich selbst wieder zu entdecken. Viele Schichten mussten dazu abgestreift werden. Nach und nach kam jedoch immer mehr von meinem echten „Ich“ zum Vorschein. Für diesen Weg bin ich sehr dankbar.
Natürliche Authentizität
Eine natürliche Authentizität erreichst du, wenn du dich ganz so zeigst, wie du bist. Ein erster Schritt dahin kann sein, dass du dir über die Rollen, die du in unterschiedlichen Situationen einnimmst, bewusst wirst. Und dann fühle in dich hinein, wie du dich selbst wirklich wahrnimmst.
- Wann verhältst du dich in einer bestimmten Art und Weise, um anderen zu gefallen oder um Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen?
- Was ist dein Vorteil dabei?
- Fühlt sich das gut an für dich oder spürst du, dass du dich dabei verbiegen musst?
- Was könntest du ganz konkret anders machen, um authentisch zu sein?
Am Ende geht es um deine klare Entscheidung für deine Authentizität und gegen das Spielen von Rollen anderen zuliebe oder aus Angst, dich zu zeigen. Die Entscheidung gegen etwas ist dabei genauso wichtig. Denn darin steckt oft ein Vorteil, den wir nicht aufgeben wollen.
Ohne die klare Entscheidung gegen etwas, hält unser Unterbewusstsein weiterhin daran fest. Wir können uns dann zwar für etwas entscheiden. Da unser bewusster Anteil jedoch nur 2-5% ausmacht, wird unser um vieles größeres Unbewusste immer dagegen arbeiten.
Im Artikel über den Golden Circle zeige ich dir genau, wie du gute Entscheidungen treffen kannst.
Der Weg zur vollständigen Authentizität ist ein Prozess. Viele Schutzschichten wollen erst erkannt und abgelöst werden. Wenn du dich darauf einlässt, erscheint nach und nach jedoch immer mehr von deinem echten Selbst und wird auch im Außen sichtbar. Und nur als ganz du selbst kannst du auch das volle Potenzial nutzen, das in dir schlummert.
Artikelserie „Integrität“
Ursprünglichkeit – Erinnerung an Zuhause
Klarheit – Eindeutigkeit der eigenen Werte
Ehrlichkeit – Parameter für Integrität
Authentizität – ganz sich selbst sein
Vollkommenheit – die Schönheit der Schöpfung
Eigenverantwortung – mein Leben selbst in der Hand
Unerpressbarkeit – eigenen Werten verpflichtet
Manipulationslosigkeit – aktiv und passiv
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